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AG Geschichte veröffentlicht neue Beiträge

Die AG Geschichte des Forum Waageplatz-Viertel hat unter der Kategorie „Geschichte(n) aus dem Waageplatz-Viertel“ neue Beiträge veröffentlich

Die AG Geschichte triff sich jeden 3. Donnerstag im Monat um 18 Uhr am Platz der Synagoge. Alle interessierten sind herzlich Willkommen!

Kontakt: geschichte@waageplatz-viertel.org

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Leerstelle mit Vergangenheit: Der Standort des ehemaligen Reformierten Studienhauses

Nördlich des Waageplatzes befindet sich ein kleiner Parkplatz, der den meisten Passanten nicht besonders auffällt. Dabei ist dieser Freiraum sowohl für sich historisch interessant, wie auch das Gebäude, das dort bis 1964 stand: das „Reformierte Studienhaus“.

Als Leerfläche zeugt das Areal von den zeitweise großen Freiflächen, die sich durch den Abriss vieler alter Häuser in der Innenstadt in den späten 1960er und 70er Jahren ergaben. Diese Flächen wurden zum Teil erst viele Jahre später wieder bebaut, wenn sich die Stadt, die Investoren und nicht zuletzt die Bürgerinitiativen geeinigt hatten, die sich gegen den Kahlschlag und den rücksichtslosen modernen Neubau wehrten. Der Abriss des Reformierten Studienhauses stand fast am Anfang dieser beispiellosen Umbauwut, der erhebliche Teile der Innenstadt zum Opfer fielen. Die Stadt war als eines von sechs Oberzentren in Niedersachsen vorgesehen, und dafür musste viel gebaut werden. Nach dem „Generalverkehrsplan“ des Bauingenieurs Johannes Schlums von der TU Hannover sollte die mittelalterliche, enge Innenstadt dem modernen Verkehr geöffnet und „erneuert“ werden. Eine Ringstraße, die von der Bürgerstraße über die Berliner Straße bis in den Nikolausberger Weg reichte, leitet seitdem die Autos um die Stadt herum. Mehrspurige Einfahrttrichter führen in die Außenbezirke der Altstadt, wo Parkhäuser und große Parkplätze Stellflächen für Beschäftigte und Ladenbummler bieten. Gebaut wurden die Parkhäuser am Groner Tor und am Geismar Tor, und dazu wurde ein großer Parkplatz am Geismar Tor etabliert. Nach dem Abriss der Häuser am Weender Tor und an der Reitstallstraße diente die Brachfläche dort lange als Parkplatz, bevor man wieder Wohn- und Geschäftshäuser errichtete. Umsatzfördernde Großkaufhäuser sollten die kleinteilige Ladenstruktur ersetzen bzw. ergänzen, die Göttingen bis dahin geprägt hatte.

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Blumentag – auch im Maschviertel

Die historische Aufnahme von der Goetheallee beim Graetzelhaus, auf der ein Karussell bei der Brücke über den Leinekanal zu sehen ist, entstand am sogenannten „Margeritentag“, dem 9. Juli 1911.

Foto: Stadtarchiv Göttingen

An diesem Tag war die Stadt festlich mit Blumengirlanden geschmückt, es gab einen Umzug durch die Straßen der Stadt, in denen sich tausende Menschen drängelten. Der Abend wurde mit einem Konzert und Tanz im „Stadtpark“ abgeschlossen; dazu gab es ein Feuerwerk. Während des ganzen Tages liefen zweihundert bis dreihundert „Blumenmädchen“ durch die Stadt und verteilten gegen eine Spende künstliche Margeriten sowie Postkarten. Der Erlös sollte der „Kinderwohlfahrt“ zugute kommen, also Kinderpflegevereinen, Ferienkolonien und Walderholungsstätten sowie ganz besonders Kinderkliniken. Die Käufer der Blumen steckten sich diese in die Knopflöcher oder zwischen die Schnürsenkel, so dass alle Bürger der Stadt an diesem Tag mit Blumen geschmückt waren. Die Blumenmädchen kamen aus den bürgerlichen Familien und zogen sich zur Feier des Tages die schönsten Kleider an. Weiterlesen

Offenes Nachbarschaftskochen

Die Nachbarschaftsküche des Forum Waageplatz-Viertel findet jede Woche Mittwoch statt. Wir treffen uns am Platz der Synagoge/ vor der Oberen-Masch 10.

Ab 17 Uhr schnibbeln, vorbereiten und kochen.
Ab 19 Uhr gemeinsames Essen, klönen und eine gute Zeit haben.

Wir freuen uns über alle, die dazu kommen! Wer kann, kann gerne eine kleine Spende da lassen für den nächsten Einkauf. Oder eine Lebensmittelspenden mitbringen, die wir entweder direkt verbrauchen oder in der Nachbarschaft verteilen können.

Falls ihr im Vorfeld Fragen oder Anregungen habt, schreibt uns gerne unter kochen@waageplatz-viertel.org

          

      

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Mittelalterliches Rennen und Stechen auf dem Waageplatz

Ein alter Name für den Waageplatz lautet „Kleiner Freudenberg“. Der „große Freudenberg“ befand sich an der Stelle des späteren Reitstalls bzw. des jetzigen Carré-Gebäudes. Die Namen verweisen auf die glänzenden Turniere, „Hof- und Freudenfeste“, die hier im 14. und 15. Jahrhundert abgehalten wurden.

Die Listen der Teilnehmer sind im Göttinger Urkundenbuch nachzulesen, denn der Rat der Stadt empfing die Gäste und schenkte ihnen Wein aus – allein 1376 fast 300 Liter. Unter Herzog Otto dem Quaden sind mindestens fünf Turniere bezeugt: drei große Turniere wurden am 5. Februar 1368, am 20. Oktober 1370 und am 22. Februar 1376 abgehalten, kleinere am 5. Oktober 1371 und am 25. Juni 1374. Als Gäste führt der Chronist Franziscus Lubecus für 1374 den Grafen von Hohnstein und die Sternergesellschaft an, also eine Rittergesellschaft, die um 1370 zur Bekämpfung der hessischen Landgrafen Heinrich II. und Hermann II. ins Leben gerufen worden war. Ihr gehörten neben dem Mainzer Erzbischof und dem Paderborner Bischof die Grafen von Nassau-Dillenburg, von Katzenelnbogen, von der Mark und von Waldeck, die Äbte von Fulda und Hersfeld sowie zahlreiche Ritter an. Ob sie alle nach Göttingen kamen, ist nicht überliefert. Die Besucherliste des Rates für das Turnier von 1368 führt aber ca. 160 adelige Teilnehmer aus Niedersachsen, Westfalen, Hessen und Thüringen namentlich auf – bei etwa 6000 Einwohnern, die die Stadt damals besaß, eine erhebliche Anzahl, die verköstigt und untergebracht werden musste, zumal jeder Ritter noch einige Begleiter mitbrachte! Zusätzlich kamen Bürger aus den Städten Kassel, Fritzlar, Einbeck, Duderstadt, Northeim und Uslar zu dem Turnier, das offenbar noch nicht gegenüber den bürgerlichen Oberschichten abgeschlossen war. Weiterlesen

Zeitzeuginnenbericht zum Brand der Synagoge in den Maschstraßen 1938

Als die Synagoge einem Brand zum Opfer fiel war das Jahr 1938, mein Mann war da 8 Jahre alt. Er hat mir erzählt, dass er immer die Männer mit Kippa oder schwarzen hohen Hüten und den hervorguckenden Locken gesehen hat, wenn diese am Haus vorbeikamen. Die Eltern haben ihm erklärt, das wäre eine Tracht die diese Männer tragen würden. Über den Brand wurde von den Eltern erklärt, da war ein Brandstifter am Werk. Sicher hat es auch hierüber einen Zeitungsbericht gegeben, aber als gerade eingeschultes Kind, hatte man zu der Zeit noch kein Interesse bzw. auch kein Radio um so etwas verfolgen.

Mein Mann hatte etliche jüdische Schulkameraden und einen ganz besonderen Schulfreund, über diesen hat er berichtet. Die Schulstunde (Lutherschule) hatte schon begonnen, da kam der Freund mit geröteten Augen in die Klasse und wollte sich für seine Verspätung entschuldigen. Der Klassenlehrer, Herr Albrecht, hat sich zur Tafel gedreht und mit brüchiger Stimme gesagt: Du musst jetzt leider wieder nach Hause gehen, Du darfst nicht mehr in unserer Klasse bleiben, die Eltern bekommen Bescheid. Dieser Freund hat dann nochmal fürchterlich an zu weinen gefangen, in der Klasse wäre es totenstill gewesen, jedoch Herr Albrecht hat dann ohne Kommentar den Unterricht fortgesetzt. Durch Fragen und erzählen in der Familie, wurde erklärt, dass Leute mit einem anderen Glauben jetzt an einer Stelle gesammelt würden, weil dieser Glauben und die Lebensführung nicht in das Leben von Deutschland passen könnte.

Leider fällt mir im Moment nicht der Name des besagten Freundes ein, ich weiß nur, dass die Jungen sich aus Holz Seifenkistenauto gebaut hatten und dann den Wall als Abfahrtstart usw. benutzt haben, da gab es ja auch kaum Autos.

Eine der wenigen (Beinahe-)Zeitzeugen aus den Maschstraßen erzählt..

Die Masch-Straßen um 1945

Die Masch-Straßen wurden in Göttingen vergleichsweise stark zerstört, aber offenbar kamen nur wenige Menschen zu schaden: Beim Gebhards Hotel gab es im Wall einen Bunker, in den sich die meisten Bewohner retteten. Luftschutzkeller wie in anderen Stadtviertel gab es nicht, weil die Häuser in den Masch-Straßen durch den feuchten Untergrund nicht unterkellert waren. Mehrere Erdbunker befanden sich beim Bahnhof, für die Passagiere von Zügen, die keine großen Bunker mehr erreichen konnten. Sie waren allerdings nicht so sicher. Eine der wenigen (Beinahe-)Zeitzeugen der Bombardierung der Maschstraßen, Helga Schmidt, heiratete zwar erst 1953 in die Masch ein, kann aber noch die Erlebnisse ihres Mannes Herbert Schmidt berichten. Er war trotz seines jungen Alters (geboren 1930) Luftschutzwart und überlebte den Angriff nur knapp. Er lief durch die Berliner Straße, als er sah, wie die Bomber ihre verderbliche Last ausklinkten. Den Bunker erreichte er nicht mehr, sondern ging an der Wallmauer in Deckung. Durch die Wirkung der Bomben wurde er beinahe vom Schutt begraben. Seine Eltern überstanden den Angriff in dem Bunker im Wall. Helga Schmidt kennt die Masch-Straße nur, wie sie in Trümmern lag. Ihr Sohn fuhr am Wall-Aufgang damals Schlitten, wie sie sich erinnert. Ab 1955 wurden die Häuser wieder aufgebaut. Die Familie H., die in der Nr. 16 wohnte, räumte vorher schon den Schutt etwas beiseite; die Hinterhäuser waren ja teilweise noch bewohnbar. Mehrere der Häuser stehen noch heute, etwa hinter Haus Nr. 14, 20 und 21. Auf der gegenüber liegenden Seite steht ebenfalls noch ein Hinterhaus. Die Häuser bestehen meist aus Fachwerk und umgeben einen schmalen Hof. Ursprünglich enthielten sie Werkstätten und Ställe. Im Norden der Unteren Masch waren die niedrigen, ein- bis zweigeschossigen Vorderhäuser offenbar schon im späten 19. bis frühen 20. Jahrhundert durch mehrstöckige, hohe Neubauten ersetzt worden. Die Eltern von Herbert Schmidt waren Schuster; auf alten Fotos ist noch das Ladenschild am Haus Nr. 1 zu erkennen. Sie gehörten zur ursprünglichen Verband der Maschgemeinde, die 1938 aufgelöst wurde. Die Gemeinde war aus dem Dorf Burggrone entstanden, dessen Bewohner im 14. Jahrhundert an den Hasengraben und Mitte des 15. Jahrhunderts an die Maschstraßen umgesiedelt worden waren. Der Gemeindeverband, eine sogenannte Realgemeinde, besaß zuletzt Wälder und Wiesen zwischen dem Hagenweg und Knutbühren, die meist verpachtet waren. Die Einkünfte wurden unter den Mitgliedern der Gemeinde verteilt. Als letztes stieß 1937 der Malermeister Garbode zu dem Verband, nachdem er die Aufnahmegebühr bezahlt hatte. Die Zugehörigkeit zu der Gemeinde war an den Besitz bestimmter Häuser gebunden: Kaufte jemand ein solches Haus, konnte er Teilhaber in dem Verband werden. – Hinten stieß das Haus der Schmidts gegen eine Schlachterei in der Goetheallee. Helga Schmidt erinnert sich noch, wie der Schlachter mit seinem Hundegespann durch die Masch-Straße fuhr, da der Schlachthof im Bereich des heutigen Landgerichts stand.

Stand: 16.6.2022 – Dr. Thomas Küntzel M.A.