Archiv der Kategorie: Soziale Stadt

Seit 2017 haben wir uns an Umfragen, Gesprächen, Runden Tischen und Infoveranstaltungen beteiligt. Unsere Ideen wurden in der Vorbereitenden Untersuchung für das Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ für „Nördliche Innenstadt“ vielfältig berücksichtigt (Nutzung der JVA, Waageplatz, Verkehrsberuhigung usw.). Mit der Vorbereitenden Untersuchung mit integriertem Entwicklungskonzept (Version 16.01.19) hat die Stadt Göttingen Fördermittel in Höhe von 26 Mio € erfolgreich beantragt.
Nun erwarten wir die versprochene Beteiligung bei der Umsetzung der verschiedenen Vorhaben.

Kurzkonzept: Soziales Zentrum in der ehemaligen JVA

Soziales Zentrum – für die nördliche Innenstadt und ganz Göttingen

Das Soziale Zentrum in der ehem. JVA am Platz der Synagoge stärkt den sozialen Zusammenhalt in der nördlichen Innenstadt und bereichert das gesellschaftliche Miteinander in Göttingen.

Das Soziale Zentrum bietet als teil-öffentlicher, unkommerzieller Ort Möglichkeiten für Anwohner*innen, Bürger*innen aus ganz Göttingen und Besucher*innen unserer Stadt – es ist gelebte Gemeinschaft.

Nutzung – Angebote und Zielgruppen

Im Sozialen Zentrum ist unter einem Dach Raum für:

Solidarisches Gesundheitszentrum

  • Medizinische Grundversorgung im Sinne hausärztlicher und pädiatrischer Versorgung, psychologischer Versorgung, Sozialer Arbeit (z.B. Einzelfallhilfe) und aufsuchender Gesundheitsförderung
  • niedrigschwelliger Zugang, gleichberechtigt-vernetzte Angebote, begleitet-kurze Vermittlungswege
  • Gemeinwesenarbeit mit Gesundheitsfokus, Entwicklung eines breiten Spektrums an präventiven und gesundheitsförderlichen Angeboten mit dem Ziel der Verbesserung sozialer Determinanten von Gesundheit
  • Wissenschaftliche Begleitung, forschungsbasierte Evaluation und Qualitätssicherung
    (Kooperation mit Georg-August-Universität und HAWK wird angestrebt)
  • Seminarräume für Veranstaltungen zur Gesundheitsförderung und Fortbildungen
  • Ort zum multiprofessionellen Austausch, für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit

Begegnung, Selbstorganisation, Unterstützung

  • inklusives, selbstorganisiertes Café für alle Nutzer*innen des Sozialen Zentrums,
    Ort der Begegnung und des niedrigschwellige Zugangs zu Beteiligung und Unterstützung
  • Nachbarschaftsvernetzung und Selbstorganisation mit z.B. Eltern-Kind-Treff, Bewältigung von Behördenangelegenheiten, Hausaufgabenbetreuung, Allgenerationen-Nachmittag, Familienfeiern
  • Selbsthilfegruppen, Offene Mietberatung, Sozialberatung u.a.

Kinderorte

  • Kinderbetreuung und ggf. Tagespflege, inklusive Gruppen für Kinder mit und ohne Fluchterfahrung
  • Gruppenräume für Kinder und Vernetzung in der Innenstadt
  • nachhaltige Mitgestaltung des Stadtteils

Ausstellungen am Platz der Synagoge

  • jüdisches Leben in Göttingen und der Region mit Emigration, Geschichte der Synagoge, Gegenwart, allgemeine Migrationsgeschichte in Göttingen nach 1945, Erinnerungskultur nach 1945, aktuelle Erfahrungen von Antisemitismus, Rassismus sowie Perspektiven gelebter Solidarität
  • wechselnde Ausstellungen von Göttinger Künstler*innen mit Raum der Stille
  • Gefängnisgeschichte des Gebäudes, Alltags- und Sozialgeschichte von Insass*innen und Personal, Repressionsgeschichte

Trägerschaft und Finanzierung

Die Immobilie bleibt im Besitz der Stadt Göttingen, die Nutzung erfolgt im Mietverhältnis.
Ein Trägerverein Soziales Zentrum ist Partner für die Stadt Göttingen.

Planung: 60.000 Euro (Fördermittel), Einbindung Öffentlichkeit/weiterer Nutzer*innen
Sanierung: 5,6 Mio Euro (Fördermittel) bei 4.000€/qm, ggf. Eigenleistung z.B. Beschäftigungsförderung

Kontakt
kontakt@sozialeszentrum.de

Das Soziale Zentrum wird getragen von:
Gesundheitskollektiv Göttingen e.V.
Sozialistische Jugend – Die Falken OV Göttingen
Forum Waageplatz-Viertel

In Zusammenarbeit mit: Geschichtswerkstatt Göttingen e.V.
Ideell unterstützt von: Göttinger Bündnis zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

(Stand: 09.05.2022)

Sozialer Zusammenhalt in Nördlicher Innenstadt: Vorbereitende Untersuchung mit integriertem Entwicklungskonzept

Die vom Rat der Stadt Göttingen verabschiedeten Papiere sind/waren auf der Webseite der Stadt abrufbar.

Vorbereitende Untersuchungen mit integriertem Entwicklungskonzept für die nördliche Innenstadt, 16.01.2019

Angepasstes Sanierungsgebiet Nördliche Innenstadt, 19.11.2020

Sanierungsgebiet „Nördliche Innenstadt“ – Überarbeitung der Vorbereitenden Untersuchung und des Integrierten Entwicklungskonzepts zur Überführung in die Städtebauförderkulisse „Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten“, 02.2021

Zwischenzeitlich wurde auf Bundesebene das Förderprogramm „Soziale Stadt“ in das Städtebauförderprogramm „Sozialer Zusammenhalt“ überführt. Es verfolgt die Ziele, die Wohn- und Lebensqualität sowie die Nutzungsvielfalt in den Quartieren zu erhöhen, die Integration aller Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und den Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu stärken.

 

 

1. Runder Tisch

Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung zur Aufnahme der nördliche Innenstadt in das Förderprogramm „Soziale Stadt“ fand in der Zweigstelle des Migrationszentrums, Am Leinekanal 3 am Donnerstag, den 16.08.2018 – 17:30 – 20:00 ein Runder Tisch statt.

Protokoll des 1. Runden_Tisches

„Hier leben WIR!“

Worum geht’s?
Die Stadt Göttingen hat bei der EU einen Förderantrag gestellt. Sie wollen Geld haben, um das alte Gerichtsgefängnis zwischen Waageplatz und dem Platz der Synagoge zu renovieren. Die EU vergibt aber kein Geld, nur um langsam verfallende Gebäude umzubauen. Also hat man sich ein tolles Projekt zur „Aufwertung“ unseres Viertels überlegt und unseren Stadtteil zum Problemviertel erklärt. Der Waageplatz wird als „verwahrlost“ bezeichnet, und mit der Sanierung eines Gebäudes soll eine „Trinker- und Drogenszene“ verdrängt werden. Eine apokalyptische Sicht auf unser Viertel, die wir so gar nicht teilen können. Vielleicht geht aber dann doch auch eher um unsere „geringe Kaufkraft“, den hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in attraktiver Innenstadtlage und unmittelbarer Bahnhofsnähe, die für die Stadt ein Problem darstellen?

Integration? Ganz schön billig!
Damit der Antrag bei der EU eine Chance hat, will die Stadt das Projekt als Beitrag zur Integration von Geflüchteten präsentieren. Das wird konkret so aussehen, dass Geflüchtete für 80 Cent in der Stunde die ansonsten teuren Renovierungsarbeiten als „Fortbildungsmaßnahme“ übernehmen sollen. Für mehr reicht das Geld angeblich nicht. Dafür kann sich das Projekt aber 2,5 gut bezahlte Stellen für Öffentlichkeitsarbeit leisten. Wir sagen: Wer von Anfang an ein faires Projekt auf die Beine stellt, muss nicht so viele Ressourcen in die Selbstvermarktung stecken!

Mitbestimmung: Vorher oder Nachher?
Ein weiteres Kriterium, damit die EU überhaupt Kohle rausrückt, ist die Beteiligung der Menschen um das Projekt herum. Von der groß angekündigten Mitbestimmung ist bisher jedoch wenig zu spüren. Unsere Informationen müssen wir uns mühsam selbst zusammen suchen, unsere Mails bleiben unbeantwortet, über neuste Entwicklungen erfahren wir aus der Zeitung. Wir wollen aber mehr, als nur im Nachhinein die Farbe der Wände zu bestimmen! Wenn Beteiligung, dann doch bitte richtig.

Was heißt hier Aufwertung?
Das 100 Betten-Hostel, welches in der ehemaligen JVA entstehen soll, soll unser Viertel “revitalisieren“, sprich aufwerten. Klingt doch erst mal super, oder? Wir wollen schließlich alle, dass unser Viertel noch lebenswerter wird. Aufwertung im Sinne der Stadt heißt leider genau das Gegenteil: Der ökonomische Wert des Viertels soll steigen, die Fassaden hübscher werden, die Mieten werden sich erhöhen, das Leben im Viertel soll Platz machen für Profit. Eine Folge: Innenstädte werden für Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen immer unbewohnbarer, ganze Viertel werden zu Spekulationsobjekten. Wohnraum geht verloren, statt, wie eigentlich nötig, neu geschaffen zu werden. Also: Wissenschaftlich gesehen ist ein städtisch gefördertes Hostel -an dieser Stelle, zu dieser Zeit- das Paradebeispiel für staatlich geförderte Gentrifizierung. Wir sagen: Anstatt die Gentrifizierung unseres Viertels noch voranzutreiben, sollte die Stadt lieber an Möglichkeiten arbeiten, genau diese Tendenzen zu verhindern!

Unsere Vereinzelung ist unsere Stärke
Solange wir alleine in unseren Wohnungen sitzen, erscheinen uns die Entwicklungen um uns herum unveränderbar und übermächtig. Erst wenn wir im Viertel zusammen kommen, stellen wir fest, dass andere Menschen ganz ähnliche Probleme haben wie wir. Und wir merken auch, dass wir gemeinsam etwas verändern können. Nichts steht einer schleichenden sozialen Verdrängung mehr entgegen, als eine gut vernetzte und organisierte Nachbarschaft. Das hat sich in der Vergangenheit in Göttingen und anderswo immer wieder gezeigt.

Was kann ich tun?

  • 1. Informiere dich und rede über das Thema, mit deinen Freunden, deiner Familie, deinen Arbeitskolleg*innen und Politiker*innen. Wie die Stadt von morgen aussieht geht alle was an und muss besprochen werden!
  • 2. Vernetze dich mit deiner Nachbarschaft. Was ist EUCH wichtig? Lerne viele nette neue Leute kennen!
  • 3. Werde Mitglied in einem Mieter*innenverein. Nicht jede Mieterhöhung ist gerechtfertigt, manche kannst du mit genügend Know-How im Rücken anfechten!
  • 4. Dich interessiert genau die Entwicklung im Waageplatzviertel? du wohnst hier? Komm zu unserem Treffen jeden Dienstag um 18h in der OM10, oder schreib uns ´ne Mail an: kontakt (@) waageplatz-viertel.org

Alle Zitate sind der deutschsprachigen Version des UIA-Antrags zu Projekt „Canal Q“ entnommen.